Frank Berger
Kunst trifft Kirche

Die Kunsthalle Osnabrück

Für euch war ich ja schon in einigen Museen. Im LWL-Museum für Naturkunde zum Beispiel. Im Schlossmuseum und im Picasso-Museum. Ich war im Landesmuseum, in der Kunsthalle Bielefeld und im Martha Herford. Nur in der Kunsthalle Osnabrück – da war ich für euch noch nicht. Und dass, obwohl sie mitten in meiner Heimatstadt steht. Natürlich weiß ich, dass sie in einer alten Dominikanerkirche untergebracht ist. Ich weiß, dass es dort moderne Kunst gibt und dass man da eigentlich mal hinsollte. Aber wie das eben so ist: Man nimmt die Dinge vor der eigenen Haustür oft als selbstverständlich hin. Bis jetzt! Aktuell stellen in der Kunsthalle nämlich die Gewinner*innen des Hiltrud-Schäfer-Kunstpreises aus. Und das will ich mir als alter Kunstliebhaber natürlich nicht entgehen lassen.


Der erste Eindruck: zwischen Geschichte und Gegenwart

Die Kunsthalle Osnabrück liegt mitten in der Altstadt. In einem Bau, der früher eine gotische Kirche war. Schon beim Näherkommen wirkt das Gebäude ziemlich beeindruckend. Hohe Fenster, dunkles Mauerwerk und eine Geschichte, die bis ins Jahr 1283 zurückreicht. Ich stehe vor dem Eingang und frage mich, wie die Mönche wohl darauf reagieren würden, dass ihr Kloster heute ein Ort für zeitgenössische Kunst ist.

Drinnen umfängt mich sofort eine besondere Atmosphäre. Die kühle Luft, das gedämpfte Licht, der hohe Raum mit seinen spitzbogigen Fenstern – und dazwischen moderne Kunstinstallationen. Der Kontrast ist faszinierend.
Ich löse mein Ticket, schaue auf den Übersichtsplan und entscheide mich, mit der Hauptausstellung zu beginnen: dem Hiltrud-Schäfer-Kunstpreis 2025.

Ein autonomer Saugroboter hinterlässt mit seiner Bewegung feine Linien auf dem Boden, wodurch ein kunstvolles Muster entsteht.
Marc Rodenberg

Bei der Installation „stagerunner“ der Gruppe Stumpf können Besucher*innen den Schaffensprozess aktiv mitgestalten.

Hiltrud-Schäfer-Kunstpreis: Vier Künstler:innen, vier Welten

Hiltrud-Schäfer war nicht nur Künstlerin, sondern vor allem auch Unterstützerin junger Künstler und Künstlerinnen. Nach ihrem Tod 2023 wurde ihr zu Ehren ein Kunstpreis ins Leben gerufen, der dieses Engagement fortsetzen sollte. Gleich vier Künstler:innen konnten die Jury in diesem Jahr überzeugen – mit Werken, die eindrucksvoll zeigen, wie vielseitig zeitgenössische Kunst sein kann. So erschafft Nikola Dicke mit „Kindheitstraum“ eine leuchtende Installation aus Spiegeln und Lichtprojektionen, die an nostalgische Schaufensterszenen erinnert. Janina Fritz thematisiert mit „Ablaufkelch“ die Verbindung von Körper und Raum und hat für ihre Ausstellung eine überdimensionale Abfluss-Skulptur aus Keramik geschaffen. Olga Grigorjewas „Highleid“ setzt sich mit den Höhen und Tiefen des Lebens auseinander und übersetzt statistische Diagramme in abstrakte Skulpturen. Die Gruppe Stumpf schließlich macht mit ihrer performativen Installation „stagerunner“ einen Putzroboter zum Raumvermesser, der durch seine Bewegungen sichtbare Spuren hinterlässt. Jede Arbeit tritt auf ihre Weise mit dem Raum der Kunsthalle in Dialog – mal spielerisch, mal kritisch, aber immer eindrucksvoll. Spannend, aber auch ziemlich herausfordernd.

Interaktive Kunst: „I came by to say hi“

Nach der Ausstellung will ich eigentlich schon Richtung Ausgang schlendern, doch dann entdecke ich eine Installation von Julia Miorin. Sie hat einen Raum in der Kunsthalle komplett umgestaltet – und zwar zu einem „offenen Begegnungsort“. Hier gibt es keine klassischen Kunstwerke an den Wänden. Stattdessen finde ich eine Parkbank, eine Liegewiese mit Sitzsäcken sowie einen Kiosk mit Flyern und Kunstmagazinen. Die Idee? Kunst als sozialer Raum. Ich setze mich auf eine der Bänke, beobachte andere Besucher:innen, die sich unterhalten, lesen, skizzieren.

Ein lichtdurchfluteter, moderner Raum mit grünen Teppichen, bunten Vorhängen und kreativen Sitzmöbeln lädt zum Verweilen ein.
Lucie Marsmann

Im Dialog mit Kunsthalle und Besucher*innen schafft Julia Miorin einen interaktiven Raum der Begegnung.

Ich erinnere mich an den Beschreibungstext: „Dieser Raum soll ein Ort für alle sein. Ein Ort für Begegnungen, für kreatives Schaffen.“ Und genau das passiert hier gerade. Ein paar Studierende diskutieren über eine Skulptur aus der Hauptausstellung, eine ältere Dame blättert in einem Kunstbuch. Und ich? Ich lehne mich zurück und genieße es, einfach da zu sein.

Fazit: Resümee bei Käffchen und Sonnenschein

Zwei Stunden später verlasse ich die Ausstellung mit einem Kopf voller Eindrücke. Was mir besonders gefällt: Die Kunsthalle Osnabrück zeigt nicht nur Kunst, sie lässt Raum für Reflexion. Hier geht es nicht nur darum, Bilder anzuschauen, sondern auch darum, sich selbst in Frage zu stellen. Draußen scheint die Sonne, und ich beschließe, mich noch auf einen Kaffee in einem der kleinen Cafés in der Altstadt zu setzen. Während ich meinen Espresso trinke, überlege ich:

Warum bin ich nicht schon früher wieder in die Kunsthalle gegangen? Vielleicht, weil sie für mich als Osnabrücker zu „normal“ war? Aber heute habe ich gemerkt: Manchmal braucht es nur einen kleinen Anstoß, um die eigene Stadt neu zu entdecken. Und vielleicht ist genau das die Kunst: Altbekanntes neu zu sehen.

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